Ein weiterer Grund, Sport zu treiben

Seitdem ich aus dem Sommerurlaub zurück bin, habe ich über verschiedene Kurse und Aktivitäten nachgedacht, bei denen ich mich anmelden könnte:

 

-   Hatha Yoga

-   Matten-Pilates

-   Vinyasa-Yoga

-   Schwimmen

-   Lauf-Club

-   Tango für Fortgeschrittene

-   Golf für Anfänger

-   Rudern für Anfänger im Naviglio-Grande-Kanal

-   Physiotraining

 

Wenn ich all meinen Plänen, ein neuer Mensch zu werden, Taten folgen ließe und dann möglicherweise einen steinharten Hintern hätte, müsste ich mich klonen und die Cristina, die als Journalistin an den Stuhl gefesselt arbeitet, hinter mir lassen, damit eine neue Cristina zur Ikone der Fitnessstudios von Mailand wird.

Zum Glück habe ich mir ein Stückchen Klarheit bewahrt und mich besinnt, nachdem ich die ersten Tage des Monats damit verbracht hatte, meinen Aktivitätenplan zu gestalten, was in etwa aussah wie: Montag Tango, Dienstag Golf in der Mittagspause, Mittwoch Joggen … Ich musste jedoch ehrlich zu mir selbst sein und mir eingestehen, dass ich ja nicht einmal weiß, in welchem Teil der Welt ich in zehn Tagen sein werde.
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Wer schon seit der Kindheit ganz von selbst sportlich ist, hat wahrscheinlich wenig Probleme damit, körperliche Aktivitäten in den Alltag einzubauen. Als ich zehn Jahre alt war, war es mir ein Schrecken, jeden Samstag morgen in den Bus gesetzt zu werden, der uns zur Skipiste brachte, wo wir Skifahren lernten.

 

Mit zwanzig Jahren war die einzige akzeptable Form von Sport für mich, die Nacht auf High-Heels durchzutanzen. Als ich dreißig war, brüstete ich mich damit, NIE zu rennen, um die Straßenbahn noch zu erreichen, wofür ich die snobistische Ausrede hatte, Englishman in New York von Sting zu zitieren, wo es schließlich hieß:

 

A gentleman will walk, but never run

Erst um die 40 hatte ich einen Sinneswandel. Das Magazin, für das ich damals arbeitete, musste ein Team an Läuferinnen zusammenstellen, um an einer Aktion zur Sensibilisierung zum Thema Sport und Sicherheit teilzunehmen, weil Sportlerinnen während ihres Trainings in öffentlichen Parks belästigt worden waren. Ich habe mich tot gestellt, um nicht teilzunehmen, aber das hat leider nicht geklappt. So fand ich mich an einem superheißen Abend Anfang Juni dabei wieder, mehr schlecht als recht zehn schier unendliche, auslaugende Kilometer zu laufen. Mehrfach dachte ich, ich würde gleich einfach zusammenbrechen.

 

Doch am Ende des Laufes war ich noch am Leben und wurde plötzlich von einer unbeschreiblichen Euphorie ergriffen, die durch ein überraschendes Detail noch verstärkt wurde: das weiche Sweatshirt, das jemand mir mitfühlend um die Schultern legte. Jetzt sagen Sie sicher: Was hat ein Sweatshirt damit zu tun? Es wäre Ihnen wahrscheinlich nicht mal aufgefallen, wenn es ein Duschvorleger gewesen wäre.

 

 

Doch da muss ich widersprechen.

Bis heute ist Joggen für mich die Hölle. Ich starte schon mit der Angst, dass ich die vom Trainer vorgesehene Einheit nicht schaffe. Gleichzeitig verfluche ich mich selbst für diese abstruse Idee, als Erwachsene noch sportlich zu werden. Am Ende bin ich knallrot und brauche mindestens eine Stunde, um wieder zu einer menschenähnlichen Gesichtsfarbe zurückzufinden.

 

Aber ich weiß auch, dass sie mich nach der Dusche erwarten: ein schöner Maxi-Cardigan mit Taillengürtel, eine Hose aus Jersey mit Kordelzug und das Longsleeve mit Stehkragen. Sie sind meine Form der Selbstliebe und die Umarmung, die ich mir selbst schenke, weil ich der Faulheit nicht nachgegeben habe. Sie anzuziehen, ist wie mir zu sagen: Super, Cristina, auch heute hast du dich geliebt.

 

 

PS: Fürs Protokoll – in diesem Jahr mache ich Mittwochabend Hatha-Yoga, am Freitagmorgen Physiotraining, am Samstagmorgen Vinyasa-Yoga und jeden zweiten Tag einen kleinen Lauf. Und Sie?

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Cristina Manfredi: Wer hinter dem New Fashion Journal von Marina Rinaldi steckt

Sie ist gebürtige Bielleserin und Wahl-Mailänderin und arbeitet als Mode-, Lifestyle- und Gesellschaftsjournalistin mit jeder Menge guter Laune. Sie arbeitete als Tageskolumnistin für Milano Finanza Fashion und wechselte dann zu Vanity Fair, was sie aufgab, um sich mehr Zeit für persönliche Projekte, das Schreiben, den Tango, das Laufen und ihre geliebten Katzen zu nehmen. Heute schreibt sie für Vanity Fair, L’Officiel, Marie Claire und Style Magazine, das Monatsmagazin des Corriere della Sera.